Kommunikation in beiden Netzwerksettings

Achtsames Kooperieren

Bei den Expert*innen besteht Einigkeit darüber, dass die Art und Weise der Kommunikation der Akteur*innen in der interdisziplinären Zusammenarbeit im Kinderschutz ausschlaggebend dafür ist, ob sich die Qualität im Kinderschutz erhöht oder nicht.

Herr Prof. Dr. Klatetzki zeichnet nach, dass der Einsatz einer Pluralität von Wissensbeständen neben der Einigkeit über ein gemeinsames Ziel-, Aufgaben- und Arbeitsverständnis „mindfulness“, d. h. Nachdenklichkeit oder Achtsamkeit der Akteur*innen erfordert, in dem Sinne, dass alle Beiträge trotz professionsbedingter ungleicher Augenhöhe (stolze vs. bescheidene Professionen, z.B. Jurist*innen/Ärzt*innen vs. Sozialarbeiter*innen/ Pädagog*innen) bedachtsam berücksichtigt werden. Denn nur eine Vielzahl von Perspektiven ist in der Lage, eine ausreichende Sicht auf das Problem zu bringen.

Seine Einschätzung, dass die am Kinderschutz beteiligten Akteur*innen von einer solchen wechselseitigen „mindfulness“ aktuell noch weit entfernt seien, teilen die anwesenden Expert*innen. Konkret liege prinzipiell zwar ein gemeinsames Ziel vor, nämlich die Sicherung des Kindeswohls, aber erste Unklarheiten zwischen den Akteur*innen entstünden bereits bei der Erarbeitung eines gemeinsamen Problemverständnisses (z. B. unterschiedliche Auslegungen, in welchem Ausmaß das Kindeswohl bedroht erscheint). Die fünf weiteren Merkmale der achtsamen Kooperation

  • gemeinsames Arbeitsverständnis
  • gleichberechtigte Wissensverwendung
  • klares Verständnis des eigenen Beitrags (Kompetenzen, Wirkungen, Rechte/Pflichten)
  • reflektierte Einordnung des eigenen Beitrags, bedachtsame Bezugnahme
  • gemeinsame Autoritätsinstanz, legitimierte Sicherung des Arbeitsprozesses

sind nach Einschätzung Klateztkis im Kinderschutz nicht oder nicht ausreichend gegeben, was zu Netzwerken „lose gekoppelter Systeme“ führe. Diese seien jedoch ungeeignet, um mehrdeutige Probleme zu bearbeiten. Erst durch die Schaffung eines achtsamen Organisationssystems bzw. zumindest durch achtsame Cliquen in Netzwerken könne die Aufgabe einer interdisziplinären Verantwortungsgemeinschaft im Kinderschutz gelingen.